Sparen, ohne die Zukunft des öV zu gefährden - und ohne blinde Flecken!
Der Bundesrat kennt auf Empfehlung der Arbeitsgruppe Gaillard keine Tabus: Ob vom Parlament vor kurzem beschlossen oder nicht: Die Lage der Bundesfinanzen ist so dramatisch und die Schuldenbremse so heilig, dass sich alle Sparmassnahmen rechtfertigen lassen. Die Gegner und Gegnerinnen reagieren entsprechend empört und sprechen von einem Angriff auf das Parlament, den öffentlichen Verkehr und was ihnen sonst noch heilig ist.
Selbstverständlich kann im öV gespart werden. Die Ausgaben sind in den letzten Jahren stark gestiegen, so dass ein Beitrag an die Sparmassnahmen erwartet werden darf.
Beginnen wir mit dem emotionalsten Thema, den Nachtzügen. Auf die sechsjährige Anschubfinanzierung für den internationalen Verkehr im Umfang von 30 Mio. Franken pro Jahr kann verzichtet werden. Die befristete Subventionierung wird kaum reichen, um in dieser Zeit die Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen. Ich finde es falsch, den viel zu tiefen Flugpreisen mit subventionierten (Freizeit-)Reisen mit der Bahn zu begegnen. Hier ist das Übel an der Wurzel anzupacken und der Flugverkehr zu verteuern, was dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel einbringen würde.
Ebenso kann auf die finanzielle Unterstützung im Umfang von 46 Mio. Franken jährlich für die Förderung von Elektrobussen im öV verzichtet werden. Die Umstellung auf Elektrobusse ist auch ohne finanzielle Zuschüsse des Bundes in vollem Gang.
Vertretbar ist eine Kürzung der Bundesbeiträge an den Regionalverkehr um 57 bis 65 Mio. Franken pro Jahr. Da die Kantone ihre Beiträge aufgrund der paritätischen Finanzierung um den gleichen Betrag kürzen dürften, reduzieren sich die Abgeltungen insgesamt um beträchtliche 115 bis 130 Mio. Franken. Die Verkehrsnachfrage hat sich nach Corona überraschend schnell erholt, so dass die während der Pandemie erhöhten Abgeltungen zurückgefahren werden können. Eine Erhöhung der Tarife wird nötig sein, um diese Subventionskürzung zu kompensieren.
Kommen wir zu den Sparmassnahmen, die unbedingt verhindert werden müssen, da sie die Zukunft des Schienenverkehrs in der Schweiz gefährden.
Der Verzicht auf Beiträge zur finanziellen Stützung des Schienengüterverkehrs im Umfang von 130 bis 150 Mio. Franken, eine Massnahme, welche der Bundesrat zum Glück nicht übernommen hat, hätte zum unwiderruflichen Aus für den Wagenladungsverkehr in der Schweiz geführt. Der zusätzliche Lastwagenverkehr hätte zu mehr Staus auf der Strasse geführt, Investitionen in Milliardenhöhe in der verladenden Wirtschaft würden wertlos und die Versorgungssicherheit der Schweiz wäre gefährdet.
Die Kürzung der Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds um 200 Mio. Franken jährlich, an welcher der Bundesrat festhält, verzögert den vom Parlament beschlossenen Bahnausbau um Jahre. Weitere Projekte, wie die Durchmesserlinie Luzern, das Herzstück in Basel oder Streckenausbauten in der Westschweiz fallen für die nächsten 10 bis 15 Jahren aus Abschied und Traktanden. Damit wird die Weiterentwicklung des öV massiv gefährdet. Die Umsetzung des Angebotsschritts 2035 verliert jeden Bezug zum genannten und politisch gewünschten Datum. Das Verkehrswachstum findet auf der Strasse statt, welche diesen Verkehr nicht aufnehmen kann. Mehr Staus und mehr Umweltbelastung sind die Folge.
Wo wären weitere Massnahmen im öV möglich? Oder: Wo hat die Expertengruppe Gaillard (und in der Folge der Bundesrat) ihre blinden Flecken?
Die Expertengruppe schliesst Kürzung beim Unterhalt des Bahnnetzes aus. Sie folgt damit dem ‘Narrativ’ der SBB, dass wir kurz vor deutschen Verhältnissen stehen. Diese Geschichte lässt sich mit Fakten nicht belegen. Gemäss der Botschaft zur Leistungsvereinbarung 2025-2028 hat sich der Anlagenzustand der Fahrbahn der SBB seit 2014 verbessert und die Gesamtbewertung liegt auf vergleichbar (hohem) Stand wie bei den übrigen Bahnen in der Schweiz. Klarheit würde der Netzzustandsbericht der SBB aus dem Jahre 2023 bringen. Diese Berichte sind jedoch seit 2019 nicht mehr öffentlich zugänglich. Bei einem Volumen der Ausgaben für das Bahnnetz von über 16 Mia Franken für vier Jahre und einer Aufstockung von 2 Mia. Franken gegenüber der Vorperiode ist eine Kürzung um 50 Mio. Franken jährlich vertretbar und hat keinen messbaren Effekt auf die Qualität des Schienennetzes. Mit den reduzierten Mitteln könnten Bahnausbauen finanziert werden.
Kritisch zu hinterfragen sind zu Zeiten knapper Mittel Sparten im öV, welche in diesem stark subventionierten Umfeld ‘Gewinne’ erzielen. Hier finden sich zwei Treffer bei den SBB.
Im Fernverkehr erzielte die SBB 2023 einen Gewinn von 117 Mio. Franken. Für dieses Jahr ist ein Gewinn in ähnlicher Höhe zu erwarten. Eine Gewinnabschöpfung über einen höheren Beitrag an die Nutzung des Schienennetzes (Trassenpreis) im Umfang von 50 Mio. Franken würden weder das Angebot noch die finanzielle Stabilität der SBB beeinträchtigen. Auch diese Mittel könnten für den Bahnausbau eingesetzt werden.
In der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, dass die SBB hohe Gewinne aus der Produktion von Bahnstrom erzielt. 2023 waren es 78 Mio. Franken, dieses Jahr wird ein Gewinn in gleicher Höhe prognostiziert. Nach der Energiekrise wurden die Preise zu stark erhöht. Sie können mit der Beruhigung der Energiemärkte wieder gesenkt werden. Ein günstiger Bahnstrom stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs. Mit einer Senkung des Bahnstrompreises um 50 Mio. Franken könnte dem Regional- und Güterverkehr in diesen schwierigen Zeiten geholfen und der Subventionsbedarf gesenkt werden.
Damit komme ich auf den Sanierungsbeitrag an die SBB in der Höhe von 1,15 Mia. Franken (bzw. 850 Mio. Franken nach Antrag des Ständerates). Es erstaunt sehr, dass dieser Sanierungsbetrag mit keinem Wort im sonst so tabulosen und umfassenden Bericht der Expertengruppe Gaillard erwähnt wird. Dies ist ein Ausdruck der seit Jahren spürbaren Protektion der SBB durch das Finanzdepartement. Der Sanierungsbeitrag könnte ohne Schaden für den öV gestrichen werden. Die SBB stehen finanziell sehr solide da und die Gewinnaussichten sind trotz Sparmassnahmen intakt.
Damit komme ich zu meinem letzten Sparvorschlag. Das Finanzdepartement könnte von seiner Aufgabe der Eignerrolle bei der SBB entlastet werden. Dies spart zugegebenermassen nur wenige Personalkosten. Das Finanzdepartement würde jedoch aus seiner Doppelrolle entlassen, um für gesunde Staats- und SBB-Finanzen zu sorgen. Dies hat allzu oft dazu geführt, dass die Verantwortlichen dem Konflikt aus dem Weg gingen und die SBB von Sparmassnahmen verschonten. Der Bericht der Expertengruppe Gaillard ist ein aktuelles Mosaikstück dazu. Der Verzicht auf die Eignerrolle würde dazu führen, dass zukünftig ausgewogenere Sparvorschläge vom Finanzdepartement zu erhoffen sind. Sparvorschläge, welche nicht die Zukunft des öV gefährden, um die Gegenwart der SBB zu protegieren!